Das „Trostfrauen“-System und die Geschichte der Betroffenen*
*Hinweis zum Inhalt: Erwähnung sexueller Gewalt.
Wer waren die sogenannten „Trostfrauen“?
Das japanische Militär und seine Helfer verschleppten während des Asien-Pazifik-Kriegs (1931–1945) Zigtausende Menschen, die allermeisten Mädchen und junge Frauen, darunter auch viele Minderjährige und Kinder, um sie den Soldaten und Offizieren bei ihren Feldzügen sexuell zur Verfügung zu stellen. In den sogenannten „Troststationen“ herrschten Zwang und Gewalt.
Bis heute hat die japanische Regierung keine juristische Verantwortung übernommen und weder eine aufrichtige Entschuldigung noch eine offizielle Entschädigung gegeben. Die Erinnerung an das Verbrechen wird unterdrückt. Eine breite gesellschaftliche Geschichtsaufarbeitung findet in Japan heute nicht statt und wird auch im Ausland unterdrückt.
Hier findet ihr Antworten auf einige grundlegende Fragen zum Hintergrund. Klickt auf die Überschriften, um den Text auszuklappen.
Woher kommt die Bezeichnung „Trostfrauen“?
Das japanische Militär bezeichnete die Frauen und Mädchen als „Trostfrauen“ (ianfu 慰安婦 auf Japanisch). Ihre Körper wurden den Soldaten vermeintlich zum „Trost“ zur Verfügung gestellt. Tatsächlich aber wurden sie eingesperrt und als Sklavinnen auf brutalste Art und Weise sexuell missbraucht. Die Orte, an denen die Vergewaltigungen stattfanden, wurden als „Troststationen“ (ianjo 慰安所 auf Japanisch) bezeichnet. Die UN spricht daher von sexueller Sklaverei, andere Expert*innen sprechen auch von sexueller Zwangsarbeit.
Woher kamen die Frauen und Mädchen?
Sie kamen aus vielen verschiedenen Ländern. Zu Beginn wurden dafür Frauen aus Japan eingezogen, doch im weiteren Verlauf des Krieges wurden immer mehr Frauen systematisch aus den kolonisierten Ländern (Korea und Taiwan) sowie aus den im Krieg besetzten Ländern verschleppt. Dazu zählen v.a. China, die Philippinen, Indonesien – darunter auch Frauen niederländischer Abstammung, die in der niederländischen Kolonie in Indonesien lebten –, Malaysia, Osttimor, Myanmar/Burma, Papua Neuguinea, Vietnam und Thailand (heutige Ländernamen). Gegen Kriegsende wurden auch Frauen vor allem aus Okinawa (das 1879 von Japan kolonisiert wurde) verschleppt.
Zu welchem Zweck richtete Japan das „Trostfrauen“-System ein?
Das japanische Militär richtete bereits ab 1932 vereinzelt „Troststationen“ ein. Die systematische und flächendeckende Verbreitung begann jedoch 1937 mit dem Nanjing-Massaker. Offizielle Gründe für die Einrichtung der „Troststationen“ waren:
- Steigerung des Kampfgeistes der Soldaten
- Verhinderung von öffentlichen Massenvergewaltigungen an Kriegsorten (wie in Nanjing geschehen)
- Eindämmung von Geschlechtskrankheiten
- Spionageabwehr
Offensichtlich sind diese Motive und Rechtfertigungen durchtränkt von Verachtung für Frauen und Menschen allgemein.
Der japanische Historiker Yoshimi Yoshiaki stellt fest, dass die Zahl der Vergewaltigungen an den Kriegsorten trotz der Einrichtung der „Troststationen“ kaum abnahm. Ebensowenig wurden dadurch Geschlechtskrankheiten eingedämmt. Andere Quellen legen nahe, dass Vergewaltigungen und die Geschlechtskrankheiten durch das System sogar noch zunahmen. Dennoch hielt das Militär bis zuletzt an den „Troststationen“ fest.
Entgegen der vordergründigen Ziele des Militärs wurde mit den „Troststationen“ ein System zur Massenvergewaltigung hinter verschlossenen Türen etabliert. Diese Massenvergewaltigungen waren für viele Frauen ein Dauerzustand, den sie über mehrere Monate oder sogar Jahre hinweg in den Stationen täglich erdulden mussten.
Wie sah der Alltag in den „Troststationen“ aus?
Der Alltag war von extremer Grausamkeit geprägt. Die „Troststationen“ wurden in den eingenommenen und umkämpften Gebieten eingerichtet. Die Frauen mussten zum Teil mit den Armeen von Schlacht zu Schlacht ziehen. Sie erlebten die Qualen der sexuellen Misshandlungen und den ständigen Terror des Krieges. Viele kamen durch Bomben und Granaten ums Leben.
Die Frauen und Mädchen wurden in den „Troststationen“ regelmäßig von Militärärzten auf Geschlechtskrankheiten untersucht. Diese Zugriffe auf ihre Körper und Geschlechtsteile waren für die Betroffenen sehr unangenehm. Um Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaften vorzubeugen, war Verhütung durch Kondome für die Soldaten verpflichtend – diese wurden aber nicht immer tatsächlich genutzt, wie Betroffene später berichteten. Weil es nicht genug Kondome gab, mussten die Frauen häufig die vorhandenen Kondome auswaschen und mehrmals benutzen. Bei Schwangerschaften wurden meist Zwangsabtreibungen durchgeführt. Es ist nicht genau überliefert, was mit Kindern gemacht wurde, die auf die Welt kamen. Manche Schwangere wurden getötet. Auch bei Krankheit (teilweise sogar bei Geschlechtskrankheiten), Schwangerschaft oder Regelblutung wurden die Frauen weiter regelmäßig vergewaltigt. Viele starben an Krankheiten, die nicht oder nur unzureichend behandelt wurden.
Je nach Station und Kriegssituation wurden die Frauen zwischen 5 Mal bis hin zu 50 oder 70 Mal an einem Tag vergewaltigt. Zum Beispiel konnte sich eine gesamte Truppe anstellen, etwa nach einem Kampfeinsatz. Die Struktur eines Tages war klar aufgegliedert: Tagsüber kamen die einfachen Soldaten, nachts die Offiziere.
Vergewaltigungen und Folter waren in den „Troststationen“ an der Tagesordnung. Es war nicht möglich die Stationen zu verlassen. Fluchtversuche und Ungehorsamkeit wurden aufs Härteste bestraft – bis hin zur Tötung. Diese Folter und Hinrichtungen dienten auch der Abschreckung für andere Frauen, sich bloß nicht zu wehren. Der Alltag war so unerträglich, dass viele Frauen versuchten sich das Leben zu nehmen.
Was geschah nach dem Krieg mit den „Trostfrauen“?
Nach der Kapitulation 1945 ließ das japanische Militär die „Trostfrauen“ aus den kolonisierten und besetzten Gebieten in der Fremde zurück. Viele schafften es nicht in ihre Heimat zurück, sei es aus Geldmangel, aus mangelnden Sprach- und geographischen Kenntnissen oder aus Scham.
Wer konnte, versuchte diese Erfahrungen zu verheimlichen, weil Menschen, die sexuelle Gewalt erlebten, zu dieser Zeit geächtet wurden. Die Gesellschaften behandelten Misshandelte damals so, als seien sie selbst Schuld für die Gewalt, die ihnen angetan wurde. Für Vergewaltigung gab es kein Problembewusstsein.
Auf dem Tokioter Kriegsverbrecherprozess (1946–1948) wurde das „Trostfrauensystem“ von den Siegermächten nicht als Kriegsverbrechen behandelt, obwohl es bekannt war.
Bis in die 1980er Jahre interessierte sich kaum jemand für das Leid der „Trostfrauen“. Unter japanischen Soldaten wurde darüber in kleinem Kreis gesprochen oder in Memoiren geschrieben, häufig auch im Nachhinein verklärt. Vereinzelt gab es auch Filme und Romane, in denen „Liebesgeschichten“ zwischen Soldaten und „Trostfrauen“ erzählt wurden. Die betroffenen Frauen hatten keine Möglichkeit, die grausamen Erlebnisse aus ihrer Perspektive zu schildern.
Die Gewalt der „Troststationen“ wurde nicht nur in Japan verdrängt, sondern auch in den Ländern, aus denen die Betroffenen kamen. Es wurde darüber kollektiv geschwiegen. In den 1980er Jahren gab es vereinzelt Frauen, die über ihre Erfahrungen in den „Troststationen“ berichteten, aber ihnen wurde keine größere Aufmerksamkeit geschenkt.
Wie entstand die Bewegung für Gerechtigkeit für die ehemaligen „Trostfrauen“?
Am 14. August 1991, fast ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Krieges, sprach die koreanische Überlebende Kim Hak-sun im südkoreanischen Fernsehen über ihre Erfahrungen in den „Troststationen“. Dieser Fernsehauftritt schlug große Wellen auch über Südkorea hinaus. Nach Kim Hak-suns Aussage wurden auch in weiteren betroffenen Ländern die Zeugnisse von Überlebenden endlich öffentlich gehört und ernst genommen: Im Laufe der Jahre meldeten sich Hunderte von Frauen aus 13 Ländern. Sie forderten von Japan eine offizielle Entschuldigung und Entschädigung.
Damit wurde die transnationale feministische „Trostfrauen“-Bewegung angestoßen, die von Anfang an stark vernetzt war. Ihre Mitglieder treffen sich bis heute regelmäßig auf der Asian Solidarity Conference on the Issue of Military Sexual Slavery by Japan.
Einige Betroffene strengten Einzel- und Sammelklagen gegen die japanische Regierung an, die jedoch allesamt abgewiesen wurden. Die Bewegung wandte sich zudem an die UN-Menschenrechtskommission. In ihrem Bericht von 1996 hat die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zu Gewalt gegen Frauen festgestellt, dass das “Trostfrauen”-System ein System sexueller Versklavung durch das japanische Militär war.
Was sind die Forderungen der Überlebenden und ihrer Unterstützer*innen?
- Schuldbekenntnis: Anerkennung des militärischen Systems der sexuellen Sklaverei als Kriegsverbrechen
- Offenlegung der relevanten offiziellen Dokumente, die im Besitz der japanischen Regierung sind
- Aufrichtige Entschuldigung durch den japanischen Staat
- Offizielle Entschädigung für die Überlebenden
- Bestrafung der verantwortlichen Kriegsverbrecher
- Bildung: Das Systems der sexuellen Sklaverei soll in Geschichtsbüchern wahrheitsgemäß unterrichtet werden
- Gedenken und Erinnerungsarbeit durch Denkmäler, Museen und Archive*
Der Korean Council hat Anfang der 1990er Jahre diese Forderungen aufgestellt. In manchen Ländern gibt es noch zusätzliche, lokal spezifische Forderungen. Auf der Asian Solidarity Conference wurden auch gemeinsame Forderungen aufgestellt.
*Diese Liste orientiert sich an https://comfortwomenaction.org/2020/07/16/7-demands-by-the-victims-to-japanese-government/
Bis heute hat die japanische Regierung die Forderungen nicht vollständig erfüllt.
Literatur zum Weiterlesen
Yoshiko Nozaki (2005): „The ‘Comfort Women’ Controversy: History and Testimony.“ In: The Asia-Pacific Journal – Japan Focus 3(7), https://apjjf.org/-Yoshiko-Nozaki/2063/article.html.
Yoshimi Yoshiaki (2002): Comfort Women. Sexual Slavery in the Japanese Military During World War II. Columbia University Press.
Yoshimi Yoshiaki (2003): „Das Problem der „Trostfrauen”“, in: Steffi Richter; Wolfgang Höpken (Hg.): Vergangenheit im Gesellschaftskonflikt. Ein Historikerstreit in Japan. Köln: Böhlau, 97–117.
Yuki Tanaka (2002): Japan’s Comfort Women: Sexual Slavery and Prostitution During World War II and the Us Occupation. Routledge.
Yuki Tanaka (2021): „Krieg, Vergewaltigung, Patriarchat. Japanische und alliierte Truppen im Zweiten Weltkrieg in Asien“, in: Gabi Zipfel, Regina Mühlhäuser und Kirsten Campbell (Hg.): Vor aller Augen. Sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten. Hamburg: Hamburger Edition, S. 85–107.
Debra Bergoffen (2021): „Prostitution als Stigma, um das Verbrechen sexueller Versklavung zu vertuschen. Das Beispiel der comfort women“, in: Gabi Zipfel, Regina Mühlhäuser und Kirsten Campbell (Hg.): Vor aller Augen. Sexuelle Gewalt in bewaffneten Konflikten. Hamburg: Hamburger Edition, 246-259.