Zum umstrittenen Artikel von J. Mark Ramseyer

Die AG „Trostfrauen“ im Korea Verband schließt sich den immer lauter werdenden Stimmen an, die eine erneute akademische Prüfung und die Rücknahme des umstrittenen Artikels von J. Mark Ramseyer über die „Trostfrauen“ verlangen.

J. Mark Ramseyer ist ein Professor für japanische Rechtswissenschaften an der Harvard Law School. Seine Professur ist von Mitsubishi finanziert, einem der Konzerne, gegen die wegen koreanischer Zwangsarbeiter in der Kolonialzeit und während des Asien-Pazifik-Krieges geklagt wurde. Anfang des Jahres 2021 sind zwei Artikel von ihm veröffentlicht worden; im International Review of Law and Economics ein Artikel mit dem Titel „Contracting for sex in the Pacific War“ (März 2021 in gedruckter Form) und in der konservativ-nationalistischen japanischen Zeitung Japan Forward der Beitrag „Recovering the Truth about the Comfort Women“ (12.01.2021). In diesen Veröffentlichungen stellt Ramseyer seine Sicht auf die Geschichte der vom japanischen Militär organisierten Sexsklaverei dar und zeigt deutlich, was er davon hält: nämlich nichts. 

In seinen Artikeln behauptet er unter anderem, dass die Frauen und Mädchen, welche geläufiger als „Trostfrauen“ bekannt sind, die während des Pazifikkrieges in sexuelle Sklaverei gezwungen wurden, freiwillig unter guten Bedingungen in einem vertraglich geregelten Verhältnis für das japanische Militär gearbeitet hätten. Abgesehen davon, dass seine Behauptungen dem allgemeinen historischen Konsens widersprechen und er eine deutliche pro-japanische Haltung einnimmt, hat er, akademischen Standards nicht folgend, unsauber zitiert. 

Aufgrund der heftigen Reaktionen auf diese Artikel haben Wissenschaftler*innen die von Ramseyer angegebenen Quellen und die von ihm genutzte Theorie untersucht, anhand derer er beweisen will, dass die Sexsklavinnen eben keine waren, sondern Prostituierte. Jeannie Suk Gersen hat einen Artikel für The New Yorker geschrieben, in dem sie sich als koreanisch-stämmige Professorin an der Harvard Law School mit den Artikeln Ramseyers auseinandersetzt und die Erkenntnisse von Akademiker*innen aufführt, die sich intensiv mit den Veröffentlichungen und den von Ramseyer angegebenen Quellen beschäftigt haben. 

Unter anderem erwähnt sie zwei ihrer Kollegen der Harvard University, Andrew Gordon und Carter Eckert. Sie haben bei der Überprüfung der Fußnoten unter Ramseyers Artikel, welche sie, nach der Einladung, eine Antwort auf den im Journal erschienene Artikel zu verfassen, untersucht haben, festgestellt, dass „es weder Verträge mit koreanischen Frauen an den genannten „Troststationen“ in Kriegszeiten, noch sekundäre Quellen gab, in denen solche Verträge aufgeführt sind […].“[1] Keiner der beiden Wissenschaftler konnte in den von Ramseyer angegebenen Quellen Informationen zu möglichen schriftlichen oder mündlichen Verträgen mit den Frauen finden. Zudem kamen sie zu dem Schluss, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass selbst im Fall des Abschlusses eines Vertrags von einem freiwilligen Abschluss ausgegangen werden kann. Man könne nicht davon ausgehen, dass ihnen der „sexuelle Zweck, für den sie eingestellt wurden“[2] klar gemacht worden war. 

Eine weitere angesehene Akademikerin, die Suk Gersen in ihrem Artikel erwähnt, ist Tessa Morris-Suzuki. Sie wies darauf hin, dass die Quellen, die Ramseyer aufführt, nicht mit seiner Argumentation einhergehen. Dazu schrieb sie: „Seltsamerweise hat er seine früheren Forschungen von einem Ort und einer historischen Periode auf einen anderen übertragen, so dass eine Studie, die sich ursprünglich mit Systemen befasste, die in Japan in den 1920er und frühen 1930er Jahren existierten, nun als Aussage über Systeme präsentiert wurde, welche in den späten 1930er bis 1940er Jahren während des Krieges existierten, obwohl letztere Systeme zu einer anderen Zeit, an verschiedenen Orten und unter drastisch unterschiedlichen Umständen betrieben wurde.“[3]

Amy Stanley, Professorin für japanische Geschichte, wies auch darauf hin, dass die Gewalt, die den Frauen in den „Troststationen“ angetan wurde, Ramseyers Behauptung, dass sie freiwillig dort gearbeitet hätten, unmöglich erscheinen lässt. Zwei weitere Personen und deren Beiträge zu der Debatte, die von Suk Gersens vorgestellt werden, sind Micheal Chwe und Alex Lee. Sie vertreten beide die Meinung, dass Ramseyers Anwendung der Spieltheorie in seinem Artikel zur Begründung seiner Ansichten nicht nachvollziehbar ist. 

Auffällig wird, wie Suk Gersen in ihrem Artikel auch betont, dass die Wissenschaftler*innen, mit denen sie im Kontakt stand, nicht auf die Aussagen Ramseyers eingegangen sind, beziehungsweise kritisieren, wofür er sich ausspricht, sondern sich darauf fokussierten, grundsätzlich zu prüfen, ob diese der Wahrheit entsprechen. Dazu schrieb sie: „Ich verteidige das Recht von Akademiker*innen, unpopuläre Meinungen oder Ansichten zu äußern, mit denen ich überhaupt nicht einverstanden bin. Die Ramseyer-Debatte hat jedoch einen starken Konsens aufgezeigt, dass die akademische Freiheit mit der Verantwortung einhergeht, bei der Behauptung von Tatsachen eine angemessene Beweisgrundlage zu liefern.“[4]

Als die Artikel Ramseyers veröffentlicht wurden, sorgte das auch im Korea Verband und in der AG „Trostfrauen“ für Unmut und Unverständnis. Die Aussagen, die von japanischer Seite aus viel Unterstützung fanden, werden vom Korea Verband abgelehnt und bieten nur einen Grund mehr, sich unaufhörlich für die Opfer der Sexsklaverei durch das japanische Militär und alle Opfer sexueller Gewalt einzusetzen. Denn man darf nicht zulassen, dass durch die Aussagen von Leugner*innen und Revisionist*innen die schrecklichen Erfahrungen von Menschen und die Verbrechen gegen die Menschheit als, wie Ramseyer behauptete, „reine Fiktion“[5] abgetan werden. 


[1] Suk Gersen, J., „Seeking the true story of the Comfort Women” in The New Yorker (26.02.2021), https://www.newyorker.com/culture/annals-of-inquiry/seeking-the-true-story-of-the-comfort-women-j-mark-ramseyer, letzter Zugriff: 03.03.2021.

[2] Ebd. 

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ramseyer, M., „Recovering the Truth about the Comfort Women” in Japan Forward (12.01.2021), https://japan-forward.com/recovering-the-truth-about-the-comfort-women/, letzter Zugriff: 03.03.2021.


Weitere Beiträge und Stellungnahmen:

Mira Krebs hat in einer umfassenden Stellungnahme im Namen der AG “Trostfrauen” im Korea Verband sich ausführlich mit den wissenschaftlichen Schwächen von Ramseyers Artikel auseinandergesetzt. Diese Stellungnahme und Untersuchung mit dem Titel “Ethisch bedenklich und wissenschaftlich verwerflich” kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Den ausführlichen Beitrag von Suk Gersen, aus dem in der obigen Stellungnahme zitiert wird, hat Marie-Christin Rehfeldt für die AG “Trostfrauen” aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Der Artikel kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Der Korean Council hat auf seiner Website eine Stellungnahme veröffentlicht, der sich eine Vielzahl an zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gemeinschaften von Historiker*innen anschlossen. Hier geht es zur Stellungnahme.